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Bei „zukünftiger Nutzbarmachung“ soll auf den „… umgebenden Flächen der Emscher … „Öffentlicher Raum … für das Gemeinwohl reklamiert und der Ökonomisierung der Gesellschaft … Orte des selbstbestimmten Tuns entgegengesetzt …“ werden. Es sollen „… neue Möglichkeits- und Experimentierräume, die eine einmalige Chance zur Mitgestaltung bieten …“ genutzt werden, damit „Gemeinschaftsinitiativen … mit kreativen Ideen Brachflächen und vernachlässigte Orte in grüne, lebensfreundliche Räume verwandeln …“
(Kursivtext aus: Fotoprojekt Emscher Zukunft Call for entries 2013 CHAOS / CONTROL)
 
Und womit hat alles begonnen? Genau: Mit „…der Ökonomisierung der Gesellschaft“
Die Umweltverschmutzung in und durch die Emscher war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die größte in Deutschland.
• Die Industrie und die anliegenden Städte pflegten „… geradezu einen anarchischen Umgang mit dem Abwasser“. [1]
• 1910 wurden 96 Millionen Kubikmeter Abwasser in die Emscher eingeleitet.
• 89 Prozent davon stammten von der Industrie. [2]
• Ab 1906 begann die Emschergenossenschaft mit den Arbeiten zur Verbesserung der Situation im Emschertal. Dabei ging es allerdings weniger um eine Beseitigung der Umweltschäden, als vielmehr um eine für die Industrie reibungslose Nutzung der Emscher als Abwasserkanal.
• Die Emschergenossenschaft machte der Industrie nur wenige Auflagen und scheute zu hohe Kosten bei der Klärung von Abwässern.
• Dies hatte einen einfachen Grund: die Industrie hatte erheblichen Einfluss auf die Genossenschaft. In der Jubiläumsschrift der Stadt Essen zur Hundertjahrfeier der Firma Krupp findet sich ein ganzes Kapitel zur Emschergenossenschaft und ihren Beziehungen zur Firma. Darin heißt es: „Die Stadt Essen und die Kruppschen Werke gehören zu den Hauptbeteiligten der Genossenschaft; beide sind auch in den Organen der Genossenschaft […] angemessen vertreten“. [3]
• Dem Einfluss der Industrie ist es zuzuschreiben, dass die Emschergenossenschaft die Belastungen für ihre Mitgesellschafter möglichst gering halten wollte und nur die deutlichsten Missstände beseitigte. Die Industrie konnte ihre Interessen konsequent durchsetzen.
Und nun soll alles wieder rückgängig gemacht werden. Die Kosten dafür trägt wieder einmal nicht der Verursacher. 4,5 Milliarden Euro werden vom Land, den Städten und Gemeinden und aus Fördermitteln der EU finanziert: Also vom Steueraufkommen.

Die „Köttelbecke", wie die Emscher im Volksmund genannt wird, und die sie betreibende Genossenschaft, haben im Laufe eines Jahrhunderts ein zurecht negatives Image erlangt.
Nun gilt es an Schrauben zu drehen, um die Corporate Identity (kostengünstig) positive zu wandeln: Zum Beispiel indem versucht wird sich als „Kunstmäzen“ werbewirksam auf dem „Markt“ zu etablieren (vergl. Bridges Fotoprojekt - http://www.bridges-projects.com/)
 
Und diese Arbeit ist /war mein Beitrag: Ich habe hier einen Prozess der Bildentstehung gewählt, der weitestgehend auf Kontrolle (Steuerung) verzichtet. Und weil während der Bildentstehung weitgehend auf Kontrolle verzichtet, den Materialien (z.B. Diafilme, Verfallsdatum 02/1994) eine „Mitwirkung“ erlaubt und den zufälligen Einwirkungen (Mehrfachbelichtungen und Schwarzweiss-Negativ-Entwicklung der Diafilme) eine Chance gegeben wurde, konnten diese Bilder nur so entstehen. Diese Arbeit zeigt auch, zu welch‘ kreativen Ergebnissen der Verzicht auf Kontrolle und die Bereitschaft, dem Chaos eine Chance zu geben, führen kann.
 
Literatur
[1] Vgl. Thomas Dupke: Von der Wasserkalamität zur Wasserbequemlichkeit. In: Klaus Wisotzky, Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Ver-sorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende. Essen 1997, S. 32.
[2] Ebenda, S. 31.
[3] O. A.: Die Emscher Genossenschaft und ihre Beziehungen zu der Stadt Essen und den Krupp’schen Werken. In: Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen e.V. (Hrsg.): Essens Entwicklung 1812-1912. Hrsg. aus Anlaß der hundertjährigen Jubelfeier der Firma Krupp. Essen (Ruhr) 1912, S. 80
 

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